Auf dem Bild sieht man zwei Frauen in einem gemütlichen Wohnzimmer. Links sitzt eine Frau mittleren Alters mit voluminösem grauen Haar, elegantem Business-Outfit und zurückhaltender Mimik auf einem Sessel. Neben ihr steht eine jüngere Frau mit kurzen, zerzausten schwarzen Haaren und einem punkigen Stil. Die Atmosphäre ist schummrig, erhellt von Kerzenlicht, und es liegen Dokumente sowie ein Laptop auf dem Tisch vor ihnen.

Kapitel 9 – Szene #25

Szene 25. Im Schatten der Gefahr – Krisensitzung in Berlin

Die Dunkelheit von Berlins abendlichem Himmel tauchte Runas Wohnung in ein schummriges Halblicht, nur erhellt durch das gelbliche Flackern von Kerzen. Der sonst so laute Hauptstadtverkehr wirkte durch die geschlossenen Fenster wie ein fernes Murmeln, kaum wahrnehmbar. In Runas Wohnzimmer saßen außer ihr fünf weitere Personen in bequemen Lehnsesseln um einen großen Esstisch auf dem sich zahlreiche Dokumente und ein aufgeschlagenes Laptop befanden.

Runa Norman lehnte sich in ihrem Sessel zurück, die volle graue Haarpracht elegant zu einem dicken Knoten am Hinterkopf gebunden. Trotz ihres unscheinbaren Äußeren, verströmte sie eine unausweichliche Präsenz, die man nur schwer ignorieren konnte. Die mittelgroße Frau, Anfang 60,

strahlte durch ihre blauen Augen eine tiefe Weisheit und Entschlossenheit aus. Ihre Kleidung, ein bisschen damenhaft und im Business-Stil gehalten, zeugte von ihrer Position als Kryptologin in einem renommierten IT-Security-Unternehmen in Berlin.

Jedoch verrieten ihre flachen Schuhe und die bequeme Kleidung auch eine praktische Seite.

Aber es war nicht nur ihr professioneller Hintergrund, der Runa zu einer beeindruckenden Persönlichkeit machte. Ihre Kindheit, geprägt von Tragödie und Entbehrungen in einem Kinderheim der DDR, hatte sie zu einer Frau geformt, die trotz oder vielleicht wegen ihrer eigenen Wunden für Gerechtigkeit kämpfte.

Jeder, der sie kannte, wusste von ihrer Rolle als Aktivistin in der Patientenbewegung „Psychiatrie mit Menschlichkeit“.

In Runas persönlicher Geschichte gab es viel Unerwartetes und Verborgenes, nicht zuletzt das unter ihrer Perücke verborgene kunstvolle Henna- Tattoo, das ihre kahle Kopfhaut zierte – eine sichtbare Manifestation ihrer Erkrankung, Alopecia universalis, und gleichzeitig ein Zeichen ihrer Resilienz und Stärke.

Während sie so in ihrem Sessel saß, wirkte sie wie eine Ruheinsel inmitten der zum Zerreißen angespannten Atmosphäre. Doch diese Ruhe täuschte. In ihr brodelte eine Energie, die in wenigen Augenblicken zu Tage treten würde. Es gab wichtige Dinge zu besprechen, und Runa war bereit, den Kampf zu beginnen.

Als die Gruppe damit begonnen hatte, die belastenden Dokumente zu diskutieren, beobachtete Runa den Mann, der neben Elli saß: Stig. Er war Ellis Ehemann, ein stämmiger Mann mit durchdringenden Augen. Zwischen den beiden war immer dieses unerschütterliche Band, das auch jetzt zu spüren war.

Elli lehnte sich ein wenig an Stig, der sie festhielt, und sie einen Moment der Ruhe und Sicherheit in dieser angespannten Situation finden ließ. Runa wusste, dass Stig und Elli viele Stürme in ihrer gemeinsamen Zeit durchgestanden hatten. Als Elli Stig von den

dunklen Geheimnissen erzählt hatte, die die Aktivistengruppe aufgedeckt hatte, hatte er zwar zunächst zutiefst besorgt reagiert und hatte versucht, Elli vom weiteren Engagement abzubringen. Als Elli sich jedoch davon nicht beeindrucken lies, hatte er ohne zu zögern seine Unterstützung zugesagt, um an ihrer Seite zu sein und sich für die Offenlegung des Skandals einzusetzen.

Stig räusperte sich und sagte: „Ich weiß, dass ich nicht von Anfang an dabei war, aber ich verstehe die Bedeutung dessen, was ihr – was wir – tun. Und ich bin hier, nicht nur als Ellis Ehemann, sondern als jemand, der bereit ist, für die Wahrheit zu kämpfen.“

Runa nickte anerkennend. Stigs Haltung und Entschlossenheit gaben der Gruppe zusätzliche Stärke, und es war offensichtlich, dass er bereit war, alles zu tun, um die Bewegung und insbesondere seine Frau zu unterstützen.

Runas Blick war ernst. „Also, wir sind alle hier, um den nächsten Schritt zu besprechen. Elli, du fängst an.“

Elli schluckte hörbar und strich nervös eine Strähne hinter ihr Ohr. „Ich kann bestätigen, dass die mir zugespielten Daten authentisch sind. Diese Indizien… sie sind echt und sie sind gefährlich.“

Lio, immer der Skeptiker, räusperte sich. „Das wussten wir schon. Was wir nicht wussten, ist, dass wir entdeckt worden sind.“ Er schob seine E-Mail auf dem Laptop vor, auf der eine unverhohlene Drohung prangte. Elli hatte den Eindruck, dass seine Stimme leicht zitterte, als er vorlas: „Lasst es sein, oder ihr werdet es bereuen.“

Ein beklemmendes Schweigen erfüllte den Raum. Dimi, der bislang regungslos dagesessen hatte, sprang abrupt auf. „Das ist nicht bloß ein leeres Drohen! Schaut hier!“ Er präsentierte eine weitere Droh-Mail, die an ihn gerichtet worden war, mit ähnlich unheilverkündendem Inhalt.

Stigs Hände ballten sich zur Faust, während er die Worte las. Elli spürte seinen festen Griff um ihre Hand. „Wer auch immer das ist, er weiß über uns Bescheid. Und er ist nah genug dran, um uns solche Nachrichten zukommen zu lassen.“

Runa biss sich auf die Unterlippe, ihre Augen blitzten kämpferisch. „Aber wir lassen uns nicht einschüchtern, oder?“

Vinoa, nickte heftig und klatschte in die Hände, so dass die anderen erschrocken aufblickten. „Genau, das sind meine Worte!“ stimmte sie entschlossen zu.

„Wir dürfen jetzt nicht zurückweichen. Aber wir müssen klug vorgehen. Die Daten sind unser Schlüssel. Wir sollten sie noch nicht freigeben, aber wenn es dazu kommt, wird das unsere Verteidigung sein.“

Dimi schüttelte den Kopf. „Und wenn diese Verteidigung uns das Leben kostet? Was dann? Vielleicht sollten wir die Daten löschen und alles vergessen.“

Elli spürte die Wut in sich aufsteigen. „Und die Skandale? Die Menschen, die leiden? Tun wir dann so, als wäre nichts geschehen?“

Die Diskussion wurde hitziger, die Stimmen lauter. Doch schließlich drang Runas Stimme über das Durcheinander. „Genug! Wir werden uns nicht heute entscheiden. Jeder denkt darüber nach, was er tun will. Und dann treffen wir eine gemeinsame Entscheidung.“

Ein nachdenkliches Nicken ging durch die Runde. Als sie sich später verabschiedeten, war die Luft schwer von den unausgesprochenen Gedanken und der Last ihrer Entscheidung. Jeder von ihnen wusste: Der möglicherweise nun vor ihnen liegende Pfad könnte ihr Leben für immer verändern.

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