Kapitel 4 – Szene #11

Szene 11. Gartenfest beim Kampf mit Dämonen

Die sanfte Frühlingsbrise trug den Duft von blühenden Rosen und frisch gemähtem Gras mit sich. Elli und Stig hatten ihren weitläufigen Garten in Köln in ein Paradies verwandelt. Bunte Lampions schwebten sanft zwischen den Bäumen und der Anblick des kunstvoll arrangierten Buffets war ein wahrer Augenschmaus. Doch trotz der äußeren Idylle braute sich in Ellis Innerem ein Sturm zusammen.

Der sanfte Duft von frischem Jasmin füllte die Luft, während Stig die letzten Stühle um den großen Gartentisch platzierte. Elli, mit einem sichtbaren Funken Nervosität in ihren Augen, stand am Rand der Terrasse und beobachtete alles. In ihrer Hand hielt sie eine Flasche Weißwein, und sie zögerte kurz, bevor sie ein Glas einschenkte.

Stig näherte sich ihr, ein leicht amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ein kleiner Vorgeschmack auf den Abend?“

Elli zögerte eine Sekunde lang. Sie durchzuckte der Gedanke: Das sagt er, um dich zu verunsichern! Er gönnt dir diesen Tag nicht. Im nächsten Augenblick wurde ihr jedoch klar, dass dies Gedankenschatten waren; – Und das war keine Überraschung, bei dem ganzen Vorbereitungsstress.

Für Elli war es manchmal, als ob sich plötzlich eine Tür in eine andere, sehr düstre Geschichte öffnete, die sie besser nicht durchschritt. Zum Glück hatte sie mittlerweile viel Erfahrung gesammelt, solche Gedanken einzuordnen.

Sie ging auch diesmal erfolgreich über die Gedankenschatten hinweg, lachte leicht und hob ihr Glas. „Ein wenig flüssiger Mut. Du weißt ja, wie das bei solchen Anlässen mit mir ist.“ Sie nahm einen Schluck und seufzte. „Timmek ist manchmal so nachgiebig. Er hat tatsächlich zugestimmt, dass ich ab und zu ein bisschen Wein trinken darf, um meine Gedankenschatten ein wenig zu bändigen.“

Stig schmunzelte. „Naja, du hast ihm auch eindrucksvoll mit Studien belegt, dass ein bisschen Alkohol nicht schädlicher ist als diese Tabletten. Und ich muss zugeben, ich ziehe die Version von dir mit einem leichten Schwips der Tabletten-Elli vor.“

Sie lachte und stieß mit ihm an. „Weißt du, wenigstens bringt der Wein ein bisschen Genuss und Leichtigkeit mit sich.“
In ihr stieg aber eine Ahnung auf, dass der Tag eine Herausforderung für sie werden könnte. Schließlich war sie in letzter Zeit nicht besonders gut mit ihren Ressourcen umgegangen und größere soziale Ereignisse, wie diese Party in ihrem Garten, gehörten für sie zu den schwierigsten Situationen.

„Du machst das toll, Elli“, sagte Stig, während er seine Arme um sie legte. „Und denk daran, alle hier wissen über deinen Zustand Bescheid. Du musst dich vor niemandem verstellen.“

Elli lehnte sich in seine Umarmung. „Ja, das ist wahr und ich bin froh darüber. Ich erinnere mich an eine Zeit, als es nicht so war. Ich wollte immer nur normal sein, bloß nicht auffallen. Es war so anstrengend, ständig eine Maske zu tragen.“

„Und jetzt bist du frei davon“, erwiderte Stig leise, „weil du Menschen um dich hast, die dich so lieben, wie du bist.“

„Ich habe wirklich Glück, dich zu haben“, sagte Elli und drückte Stig fest. „Jetzt lass uns die Party starten!“

Daika und Wido Lebenswind mit ihren Kindern waren eine der Ersten, die eintrafen. Ihr Lachen hallte durch den Garten und die Kinder liefen aufgeregt herum. Es folgten Jone mit ihrem Mann Leonas, der ihr Kind Silvan auf dem Arm trug, dann Ellis Kollegin Adisa in einem strahlenden blauen Kleid, das ihre dunklen Augen betonte. Das laute Lachen und freundliche Gespräche erfüllten die Luft. Teona und Leander folgten, gefolgt von Stigs Freund Leevi mit seiner Frau Karuna, die beide eine ruhige Harmonie ausstrahlten. Als Letztes erschien Ellis Kindheitsfreundin Ylvi, ihren markanten Hund Ava an ihrer Seite.

Ellis Hände zitterten, als sie ein Glas Sekt für Daika einschenkte. Stig war an der Grillstelle, bemerkte jedoch zu spät, dass die Grillkohle fehlte. Er flüsterte Elli besorgt zu: „Die Kohle, Elli, sie ist alle.“ Sie atmete tief durch, ihre Gedankenschatten verstärkten sich: „Habe ich das vergessen? Oder wollte jemand, dass ich es vergesse?“

Als die Sonne tiefer sank, schlichen sich Ellies Gedankenschatten immer stärker in ihr Bewusstsein. Sie beobachtete, wie Adisa und Karuna sich leise unterhielten und lachten, als sie sie bemerkten. „Reden sie über mich?“, dachte sie. Ellies Blick wanderte weiter, und sie fing auf, wie Jone zu ihrem Mann sagte: „Das ist so typisch Elli.“ Sie fragte sich, ob sie über die fehlende Grillkohle oder vielleicht etwas Ernsthafteres sprachen.

Es dauerte nicht lange, da realisierte Elli, dass sie kein Brot gekauft hatte. Das dringende Bedürfnis, alles perfekt zu machen, ließ sie nach einer Lösung suchen. Sie fand Kartoffeln und begann, sie in Alufolie einzuwickeln, um sie ins Lagerfeuer zu legen. Doch sie fühlte sich wie in Zeitlupe, jede Sekunde schien eine Ewigkeit zu dauern.

Da kam Ylvi in die Küche. „Elli, brauchst du Hilfe?“ Elli’s Augen blitzten. Sie dachte an das Telefonat zwischen Stig und Ylvi, das sie zufällig mitgehört hatte und wie er Ylvi heimlich hinter Ellis Rücken gebeten hatte, Brot mitzubringen. „Ist das eine Falle? Möchten sie beide, dass ich versage?“, schoss es ihr durch den Kopf.

„Nein!“, stieß sie hervor, „Es ist alles unter Kontrolle.“ Doch ihre Stimme zitterte. Ylvi sah sie besorgt an, sagte jedoch nichts.

Die anderen Gäste wurden langsam unruhig. Hungrige Blicke richteten sich auf das Buffet, doch Elli bestand darauf, dass alles erst beginnen sollte, wenn sie fertig war.

Und dann geschah es: Ylvi trat in den Garten, mehrere frische Baguettes unter dem Arm. „Ich dachte, das könnte helfen“, sagte sie lächelnd. Für Elli war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie fühlte sich hintergangen, bloßgestellt. Ihre Gedankenschatten übernahmen die Kontrolle.

Stig sah die Panik in Ellis Augen. „Elli“, begann er, aber sie schnitt ihm das Wort ab.

„Warum? Warum macht ihr das?“, schrie sie. Der Garten wurde still. Alle Augen waren auf Elli gerichtet, einige mit Mitleid, andere mit Sorge.

Stig trat vor und legte den Arm um Elli. „Lass uns besser reingehen.“, sagte er sanft, „Ich glaube, Du brauchst eine Pause.“ Elli nickte und begriff langsam, dass sie es ausnahmsweise heute nicht geschafft hatte, ihre Gedankenschatten zu bändigen.

Während die Gäste sich beruhigten und die Party fortgesetzt wurde, führte Stig Elli ins Haus, weg von den Blicken und dem Druck des Festes, und versuchte, ihr den Frieden und die Sicherheit zurückzugeben, die sie so dringend brauchte.

Später in der Nacht, nachdem die letzten Gäste gegangen waren und der Garten wieder in friedlichem Dunkel lag, zogen sich Elli und Stig in ihr Schlafzimmer zurück. Die Anspannung des Abends hing immer noch in der Luft, aber es gab auch ein Gefühl der Erleichterung darüber, dass das Fest vorbei war.

Kaum waren die beiden im Bett, als Ellies Herz zu rasen begann. Die Schläge kamen unregelmäßig, zuerst schnell, dann wieder langsamer, sodass sie sich anfühlten wie kleine Explosionen in ihrer Brust. Ein eisiger Schrecken griff nach Elli. Ihre Hände wurden klamm, ihre Augen weiteten sich vor Angst.

„Stig“, keuchte sie, ihre Stimme vor Panik brüchig. „Ich glaube, ich sterbe. Versprich mir, dass du allen sagst, wie sehr ich sie liebe, besonders auch meinen Eltern und meiner Schwester und meinen Freunden. Sag ihnen, dass sie nicht zu traurig sein sollen und dass ich hoffe, sie haben ein wundervolles Leben.“

Elli war angesichts ihrer massiven Todesangst noch bemerkenswert gelassen. Sie hatte diese Anfälle schon so häufig erlebt und mittlerweile einige Resignation dabei entwickelt. Früher hatte sie sogar manchmal den Krankenwagen gerufen oder war zum Notdienst geeilt, doch da es jedes Mal umsonst gewesen war, war sie irgendwann dazu übergegangen, sich mehr oder weniger in ihr Schicksal zu ergeben.

Sie saß jetzt kreidebleich und angespannt auf der Bettkannte, hielt sich die Hände auf die Herzregion, schnappte nach Luft und starrte an die Wand.

Stig, obwohl von dieser plötzlichen Eskalation überrascht, reagierte mit der Gelassenheit von jemandem, der solche Situationen schon oft erlebt hatte. „Elli“, sagte er sanft, „erinnerst du dich an das Pulsoximeter, das du gekauft hast? Wir sollten vielleicht nachsehen, was es sagt.“

Ellis Atem kam keuchend. Sie sprang auf und suchte hektisch in der Schublade ihres Nachttisches. Das Gerät hatte sie während der beginnenden Pandemie angeschafft. Sie war damals extrem gestresst und das Gerät half ihr nicht nur, während ihrer gewohnten Panikattaken, sondern es bändigte auch ihre Ängste vor unbemerkten Schäden in ihrem Körper durch eine COVID-Infektion.

Mit zitternden Händen setzte sie das Gerät an ihren Finger und beobachtete, wie die Zahlen auf dem Display aufleuchteten. Es schien alles in Ordnung zu sein. Das Gerät zeigte einen normalen Sauerstoffgehalt im Blut und auch der Herzrhythmus schien sich nach und nach zu normalisieren.

Stig setzte sich neben sie und zog sie in seine Arme. „Es ist alles gut, Elli. Es war nur ein Anfall von Panik. Du bist sicher.“

Elli lehnte sich an seine Brust, spürte die Wärme seines Körpers und ließ die beruhigende Kraft seiner Nähe auf sich wirken. „Ich werde wirklich einen Gang runterschalten“, murmelte sie. „Ich kann so nicht weitermachen, wenn ich mich so fühle.“

„Das ist eine gute Idee“, erwiderte Stig und küsste sie sanft auf die Stirn. „Und ich werde immer hier sein, um dich zu unterstützen.“

Die beiden legten sich zurück ins Bett, eng aneinander geschmiegt, und obwohl draußen die Nacht fortgeschritten war, fand Elli schließlich einen ruhigen Schlaf, sicher in den Armen ihres geliebten Mannes.

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