Eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren, gekleidet in einer Lederjacke mit Kapuze, sitzt an einem Holztisch in einem gemütlichen Raum, beleuchtet von warmem, natürlichem Licht. Ihr gegenüber sitzt eine Nonne in traditioneller Tracht, lächelnd. Auf dem Tisch steht eine Kerze, daneben ein Holzkästchen. Im Hintergrund sind Regale voller Bücher zu sehen.

Kapitel 11 – Szene #31

Szene 31. Das Geheimnis des Klosterladens – auf den Spuren des Amuletts

Im sanften Flirren der Berliner Morgensonne saß Elli, vertieft in ihre Gedanken, an einem kleinen Tisch des Cafés, das sich gegenüber einem belebten Park befand. Eine Tasse dampfenden Kaffees stand vor ihr, und während die Menschen draußen in ihren alltäglichen Rhythmen verweilten, schien die Zeit für Elli einen Moment lang stillzustehen. Sie hatte das Gefühl, auf der Schwelle zwischen zwei Welten zu stehen, und in diesem Moment des Innehaltens versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen.

Das Telefonat mit Adisa hallte noch in ihren Ohren nach. „Du kannst auf mich zählen“, hatte Adisa gesagt, und diese Worte gaben Elli eine seltsame Mischung aus Hoffnung und Verantwortung. Sie wusste, sie stand vor etwas Großem, etwas, das weit über ihre bisherigen Erfahrungen hinausging. Und tief

in ihrem Inneren spürte sie eine Verbindung, ein Band, das sie nicht nur mit Adisa, sondern auch mit einer Geschichte verknüpfte, die sie noch nicht ganz verstand.

Mit zittrigen Händen griff sie nach dem Amulett, das Timmek und Stig ihr geschenkt hatten. Es lag schwer und doch beruhigend in ihrer Handfläche. Die fremdartigen Gravuren und das Heptagramm schimmerten im Licht des Cafés. Und dann, ganz sanft, begann das Amulett sich zu verändern. Nicht so flatterhaft wie zuvor, sondern bedächtig, als wolle es Elli die Zeit geben, jede Version in Ruhe zu betrachten. Plötzlich erschienen am Rand der sieben Kanten des Amuletts die Namen der sieben Erzengel. Sie drehte das Amulett um, und auch auf der Rückseite des Amuletts war die Schrift jetzt in lateinischen Buchstaben sichtbar. Elli las den eingravierten Text: „Du bist mutiger, als du glaubst, stärker, als du scheinst, und du bist niemals allein!“ Sie spürte, wie die Worte sie umhüllten und ihr Kraft gaben. Dann fiel ihr Blick auf die kleine Gravur am Rand: den Namen des Berliner Klosterladens in Charlottenburg. Ohne zu zögern, stand Elli auf, zahlte ihren Kaffee und machte sich auf den Weg.

Der Laden war klein und verwinkelt, gefüllt mit religiösen Artefakten und Büchern. Elli spürte eine tiefe Ruhe, als sie eintrat, und für einen Moment vergaß sie alles um sich herum. Ihr Blick wurde von einem Regal mit Amuletten angezogen, die ihrem eigenen ähnlich sahen. Doch bevor sie näher treten konnte, wurde sie von einer freundlichen Karmelitenschwester begrüßt.

„Kann ich Ihnen helfen, ein besonderes Amulett auszusuchen?“, fragte die Schwester mit einem Lächeln.

Elli zögerte kurz, dann zog sie ihr Amulett hervor und zeigte es der Schwester. „Ich habe dieses Geschenk bekommen“, erklärte sie, „und ich frage mich …“

Sie brach ab, als sie sah, wie der Gesichtsausdruck der Schwester sich für einen flüchtigen Moment veränderte. Überraschung? Erkenntnis? Elli konnte es nicht deuten. Doch dann war der Moment vorbei, und die Schwester lächelte wieder.

„Ein sehr schönes Stück“, sagte sie und deutete dann auf die Broschüren neben dem Regal. „Vielleicht interessieren Sie sich auch für die Geschichte unseres Ordens und die Menschen, die mit ihm verbunden sind?“

Elli folgte ihrem Blick und nahm eine der Broschüren in die Hand, da ihr die Namen Edith Stein und Else Lasker-Schüler aufgefallen waren. Die Dichterin war eine der Lyrikerinnen, die Elli besonders bewunderte. Die Broschüre nahm auf einen Aufsatz von Jürgen Serke Bezug, der den Titel trug: „Bräute des Herrn.

Edith Stein und Else Lasker-Schüler“. Elli vertiefte sich ein wenig in den Text der Broschüre.

„Warten Sie einen Moment“, sagte die Schwester plötzlich und verschwand im Hinterzimmer. Als sie zurückkehrte, hielt sie ein unscheinbares Buch in altem, abgegriffenem Pappeinband in den Händen.

„Dies ist für Sie“, sagte sie und legte es Elli in die Hand. „Lesen Sie es, wenn Sie Zeit und Ruhe finden.“

Elli dankte ihr verwundert und neugierig zugleich. Sie steckte das Buch in die Tasche, verabschiedete sich und verließ den Laden.

Es dauerte einige Zeit, bis sie mit U-Bahn und S-Bahn ihre Unterkunft erreichte. Da Elli keine Hotels mochte, stand sie mit dem Wohnmobil auf einem privat angebotenen Stellplatz am Rande von Berlin- Köpenick. Stig und Elli liebten es, für solche Anlässe die verschiedenen Portale im Netz zu nutzen, auf denen Privatleute Stellplätze anboten. Oft waren diese Plätze überraschend günstig gelegen, gut ausgestattet und wurden zu einem guten Preis angeboten. Zusätzlich gab es oft die Möglichkeit zu einem persönlichen Austausch mit den Vermietern, was half, die jeweilige Region besser kennenzulernen.

Trotz der langen Fahrt wartete Elli mit dem Betrachten des Buchs, da eine solche Fahrt sie immer mit Reizen völlig überflutete. Zurück im Wohnmobil setzte sie sich allerdings sofort an den Tisch, um das Buch anzuschauen.

Es schien ein unveröffentlichtes Werk in englischer Sprache zu sein, und ein Autor war ebenfalls auf den ersten Blick nicht zu entdecken. Der Titel lautete:

„Else Lasker-Schüler – Diary Entries and Records During Her Exile Period in Jerusalem“. Elli schlug das Buch auf. Und genau auf den vergilbten Seiten, die sie aufgeschlagen hatte, fand sie Worte von Else Lasker-Schüler, die direkt auf die Prophezeiung Bezug nahmen. Die Dichterin zitierte dort anscheinend unter anderem auch aus einem Text von Hölderlin, der sich ebenfalls mit dieser mysteriösen Botschaft auseinandergesetzt zu haben schien.

Für einen Moment hielt Elli die Luft an. Die Puzzleteile begannen sich zu fügen, und sie fühlte, dass sie auf der richtigen Spur war. Hier, in diesem unscheinbaren Buch, aus diesem kleinen Klosterladen in Berlin, hatte sie den Schlüssel gefunden, der ihr helfen würde, ihre Rolle in dieser verwobenen Geschichte tiefer zu ergründen.

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