Else Lasker-Schüler, eine ältere Frau mit nachdenklichem Ausdruck, sitzt an einem Schreibtisch in einer bescheidenen Schreibstube. Sanftes Tageslicht fällt durch das Fenster hinter ihr, während sie konzentriert an einem Brief schreibt. Neben ihr liegt eine Schreibmaschine, die die Atmosphäre der 1940er Jahre unterstreicht.

Kapitel 11 – Szene #32

Szene 32. Else Lasker-Schülers poetische Reflexion – Echos einer Prophezeiung

Else Lasker-Schüler sitzt in ihrer Schreibstube in Jerusalem.

Sanftes Licht des späten Nachmittags durchflutet Else Lasker-Schülers bescheidene Schreibstube in Jerusalem, taucht sie in eine Atmosphäre von Stille und Reflexion. Sie sitzt da in ihrem Lieblingssessel, einen Stapel Papiere neben sich, auf dem ein besonders auffälliges Blatt ihren Blick fängt. Es ist ein Gedicht, das sie bereits vor vielen Jahren als junge Frau verfasst hat:

„Weltende“.

Sie liest es langsam, Wort für Wort, lässt sich von der Kraft ihrer eigenen Worte mitnehmen:

„Es ist ein Weinen in der Welt,

als ob der liebe Gott gestorben wär,

und der bleierne Schatten, der niederfällt, lastet grabesschwer.“

(Hinweis: Das gesamte Gedicht findet sich im Anhang.)

Mit jedem Vers werden die Bilder der düsteren Vergangenheit und Gegenwart lebendig. Sie denkt an das Emporkommen und die schrecklichen Zeiten des Naziregimes, an das unbeschreibliche Leid und die Grausamkeiten, denen so viele Menschen ausgesetzt waren und es noch immer sind.

Mit dunkler Stimme flüstert die Dichterin: „Die Menschheit leidet an Mitmenschlichkeitsmangel.“

Sie seufzt und ein tiefer Schmerz durchzieht sie, als sie sich an ihre eigenen Erfahrungen in Deutschland erinnert, an die Verfolgung und die flüchtigen Blicke über die Schulter, bevor sie schließlich das Land verlassen musste.

Dann wandern ihre Gedanken zu ihrem derzeitigen Exil in Jerusalem. Trotz der Schönheit dieser alten Stadt hat sie auch hier Ungerechtigkeit und Ausgrenzung erlebt. Wie oft war sie hier in der Rolle des Prinz Jussuf, um sich zu schützen, um stärker zu sein. Sie spürt die Last dieser Identität, die sowohl Schutzschild als auch Fessel geworden ist.

Tiefer in ihren Erinnerungen versunken, murmelt sie leise: „Die Welt ist ein Fieberkranker und sucht im Schlaf Heilung.“

Langsam nimmt sie ein weiteres Blatt Papier in die Hand. Es ist alt, die Tinte bereits verblichen. Es ist der Text der Prophezeiung, den sie während einer ihrer Reisen entdeckt hat. Sie murmelt: „Es gibt ein Artefakt, durch das wieder Balance hergestellt werden kann … und das Lied der Liebe … “

Je mehr sie liest, desto mehr versteht sie die Bedeutung und die Dringlichkeit dieser Prophezeiung. Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten. Sie spürt es jeden Tag. Sie fühlt den Schmerz der Welt, ihre eigenen Wunden, die Wunden der Menschen um sie herum.

Eine tiefe Melancholie überkommt sie. Doch inmitten dieser Traurigkeit wächst auch eine neue Entschlossenheit. „Es muss eine Heilung geben“, murmelt sie, „Die Welt muss geheilt werden.“

Else legt die Prophezeiung beiseite und nimmt ihren Füllfederhalter in die Hand. Mit fester Entschlossenheit beginnt sie zu schreiben, inspiriert von der Prophezeiung, von ihrem eigenen Schmerz und dem Schmerz der Welt. Sie wird weiter schreiben, weiter kämpfen, denn in der Dunkelheit, so weiß sie, gibt es immer ein Licht, einen Hoffnungsfunken.

Ein paar Sekunden lang zögert die Dichterin und blickt prüfend auf den Federhalter in ihrer Hand. Dann senkt Else Lasker-Schüler ihre Feder und lässt ihre Gedanken auf das Papier fließen, wissend, dass dieser Brief niemals die Augen von Ernst Simon erreichen wird. Und doch schreibt sie weiter, entlädt ihre Seele auf das Papier, findet Trost in den Worten und dem leisen Wispern der Tinte.

„Mein liebster Ernst“, beginnt sie, ihre Worte sorgfältig wählend, „ich habe heute die Prophezeiung wieder gelesen, jenes alte, vergilbte Dokument, das einst in meinen Besitz gelangte.

Sie spricht von Heilung, von einer Welt im Ungleichgewicht, und ich kann nicht anders, als ihre Worte auf unser eigenes, zerrissenes Dasein anzuwenden.

Martin Luther hat einmal die gleiche Prophezeiung analysiert, sie durchdrungen und in das Hohelied der Liebe hineingewebt.

Obwohl sich Paulus wohl sehr darauf verstand, sich wie ein ungeschickter Teppichweber in seinem eigenen Werk zu verstricken, scheint hier ein Funke der Poesie in ihm entflammt zu sein. Im Hohelied der Liebe ähneln seine Worte sogar den Dichterversen des Messias.

Wie oft wird er als Erfinder des Christentums gepriesen. Doch ohne sein Wirken hätten wir heute vielleicht Judenchristen als wundervolle Brücke zwischen Juden und Christen. Wer weiß?

Ich weiß, ich habe schon oft auf Paulus geschimpft. Für das Hohelied der Liebe bin ich ihm aber zutiefst dankbar. Es ist ein wahres Stück Dichtung!

Luthers Worte, obwohl in einer anderen Zeit und unter anderen Umständen gesprochen, hallen heute ebenfalls in mir nach. Und weißt Du, dass auch Hölderlin beide Texte gekannt hat? Luther und Hölderlin sahen in diesen Versen die Botschaft und den Ruf nach einer Heilung der Welt und die Dringlichkeit einer wiedergefundenen Balance.

Und doch, mein Ernst, frage ich mich, sind wir nicht alle und immer auf der Suche nach Balance, nach Heilung?

Du weißt, wie sehr ich Dich liebe, und doch bist Du unerreichbar für mich, eingebunden in Deine Welt, während ich in meiner eigenen gefangen bin.

Ebenso wie Luther einst in seiner Zeit, so suche auch ich jetzt nach einem Weg, die Botschaft des Hohelieds der Liebe in mein eigenes Leben zu integrieren, um den Schmerz und die Sehnsucht in etwas Transzendentes, Heilendes zu verwandeln.

Ich spüre, dass auch Du, trotz der Entfernung und der Umstände, Teil dieser Suche bist, Teil dieses Ringens um Verständnis und Gleichgewicht.

Vielleicht ist es unsere gemeinsame Bestimmung, Ernst, die Worte der Prophezeiung und des Hohelieds der Liebe zu leben, sie in unseren Herzen zu tragen, auch wenn die Welt um uns herum aus den Fugen zu geraten scheint.

So wie Hölderlin auf Luthers Worte aufbaute und sie in seine eigene Poesie integrierte, so möchte auch ich diese uralte Botschaft in mein Werk, in mein Leben einfließen lassen.

Vielleicht ist dies der Weg, auf dem wir beide, jeder auf seine Weise, Heilung finden können. Vielleicht ist dies der Funke der Hoffnung, den wir in der Dunkelheit suchen.

In den fernen Zeilen Hölderlins finde ich eine Resonanz, die mich bis in die Tiefen meiner Seele berührt. Er spricht von einer Kommunikation, die über das hinausgeht, was mit bloßen Worten ausgedrückt werden kann. Es ist, als ob er die geheimen Neuronen des Universums verstanden hätte, die uns alle verbinden, uns in einem unsichtbaren Netz zusammenhalten.

Er spricht von der Liebe, nicht als einer flüchtigen Emotion, sondern als einer fundamentalen Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält. Diese Liebe, so glaube ich, ist es, die uns durchdringt, wenn wir in Resonanz mit dem Universum treten, wenn unsere Seelen in Einklang mit der kosmischen Melodie schwingen.

Wie oft habe ich versucht, diese Resonanz in meinen eigenen Worten zu fangen, habe versucht, die Stille zwischen den Zeilen sprechen zu lassen. Doch die Worte sind stets unzureichend, sie können nur andeuten, was im Verborgenen liegt. Es ist, als ob die wahre Kommunikation in einer anderen Dimension stattfindet, jenseits dessen, was wir mit unseren Sinnen erfassen können.

Ernst, ich fühle diese Resonanz, wenn ich an dich denke, wenn ich dir schreibe. Es ist, als ob meine Seele über die Distanz hinweg zu dir spricht, als ob unsere Herzen in einem stummen Gespräch verbunden wären. Doch ich weiß auch um die Grenzen dieser Liebe, um die Schranken, die nicht überschritten werden dürfen.

Ich frage mich, ob Hölderlin diese Grenzen auch gespürt hat, ob seine Seele auch in dem Zwiespalt zwischen irdischer Liebe und kosmischer Verbundenheit gefangen war. Seine Worte sind erfüllt von einer tiefen Sehnsucht, einer Sehnsucht nach Einheit, nach Verschmelzung mit dem All.

So wie er, finde auch ich Trost in der Vorstellung, dass diese Resonanz, diese tiefe Verbundenheit, jenseits aller irdischen Beschränkungen existiert. Dass es eine Liebe gibt, die nicht an Zeit und Raum gebunden ist, eine Liebe, die in der Ewigkeit Bestand hat.

Mit zärtlicher Zuneigung und in stiller Resonanz, Deine Else“

Mit einem Seufzer legt Else Lasker-Schüler die Feder nieder. Die Worte auf dem Papier scheinen ihr eigenes Gewicht zu tragen, die Last ihrer unerwiderten Liebe, die Last der Welt. Doch in ihnen findet sie auch Trost, eine Verbindung zu Ernst Simon, zu Luther, zu Hölderlin, zu all jenen, welche die gleiche Sehnsucht, den gleichen Schmerz fühlen.

Plötzlich gleitet ein fast ironisches, schelmisches Lächeln über ihr Gesicht. Sie nimmt ihren Brief noch einmal in die Hand und hält ihn in das Licht, um ihn zu überfliegen. Nun; – Da hat ihr wohl wieder einmal sozusagen das Herz auf der Zunge gelegen.

Bedauerlich, dass der Brief den Adressaten niemals erreichen wird. Dieser Text hätte Ernst vermutlich gefallen und wohl auch dem Dialog-Meister Buber.

Sie wird wieder ernster und schüttelt leicht den Kopf. Und trotz; – Sie korrigiert sich: Wohlmöglich auch gerade durch all diese Emotionen, enthält ihr Brief einen bemerkenswerten Kern nüchterner Wahrheit.

Sie blickt aus dem Fenster, auf die untergehende Sonne über Jerusalem, und sie weiß, dass sie Teil von etwas Größerem ist, Teil einer Kette der Tradierung, der Suche, der Hoffnung. Und in diesem Moment spürt sie, dass ihre Briefe, ihre Worte, ihre Gedanken, ihre Liebe nicht umsonst sind.

Obwohl sie hier sitzt, verarmt, vereinsamt und entmutigt, wächst in ihr die Gewissheit, dass sie mutiger ist, als sie glaubt, und stärker, als es scheint. Und sie weiß, dass sie niemals wirklich allein ist.

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