Das Bild zeigt einen Mann mit rotem, lockigem Haar und einem nachdenklichen Ausdruck, der in einem schwach beleuchteten Raum steht. Er trägt eine beige Jacke mit einem Baum- und Blatt-Emblem. Im Hintergrund schläft eine Frau friedlich in einem Bett, das von sanftem Mondlicht erhellt wird. Die Szene vermittelt eine melancholische, ruhige Stimmung.

Kapitel 9 – Initial

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Stig stand am Fenster und starrte in die Dunkelheit. Er blickte in den vom Mondlicht erleuchteten Garten. Die Lichter der Stadt funkelten in der Ferne, doch in ihm herrschte ein chaotisches Durcheinander aus Sorgen und Ängsten. Die Wohnung war still, nur das leise Summen des Kühlschranks war zu hören. Elli schlief bereits, ihre gleichmäßigen Atemzüge drangen gedämpft zu ihm. Doch für Stig war an Schlaf nicht zu denken.

Er dachte an die bevorstehende Krisensitzung von Ellis Team in Berlin. Die schockierenden Enthüllungen über MedüX Pharma hatten ihn tief erschüttert. In seinem Inneren tobte ein Krieg. Er hatte zugestimmt, Elli zu unterstützen, doch jede Faser seines Seins wollte sie aus dieser Gefahr herausholen. Er konnte nicht ertragen, dass sie sich solchen Risiken aussetzte. Es war, als würde er erneut an den Rand

des Abgrunds geführt, den er bereits in seiner Jugend kannte.

Stig erinnerte sich an die Zeit, als er selbst in Schwierigkeiten geraten war. Seine Vergangenheit war eine ständige Last auf seinen Schultern. Der Alkohol, der ihn trösten sollte, hatte ihn in die Dunkelheit geführt. Er hatte Anja getroffen, eine ebenso verlorene Seele, und gemeinsam hatten sie sich immer tiefer in den Abgrund gezogen. Stig fühlte sich verantwortlich für ihren endgültigen Absturz in die Drogenszene. Der regelmäßige Griff zu Hochprozentigem war zunächst von ihm ausgegangen. Doch sie beließ es nicht dabei, und als sie schließlich in einer Katastrophe endete, hatte er sie im Stich gelassen. Der Gedanke daran quälte ihn bis heute.

Dann war da noch Leon, sein Schüler, der ihn an sein jüngeres Ich erinnerte. Leon war ein unsicherer Junge, der sich hinter einer Fassade aus Gleichgültigkeit und Rebellion versteckte. Stig sah so viel von sich selbst in ihm – die gleichen Fehler, die

gleichen Ausreden. Leon nutzte Alkohol, um seine Ängste zu betäuben, genauso wie Stig es getan hatte. Doch jedes Mal, wenn Stig versuchte, Leon zu helfen, stieß er auf Ablehnung. Leon sah ihn als autoritäre Figur, die ihn nicht verstehen konnte.

Stig spürte die Wut in sich aufsteigen. Er hasste Leons Unreife und Verantwortungslosigkeit. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er Leon helfen oder ihn für seine Dummheiten bestrafen wollte.

Stig schnaufte und runzelte die Stirn. Er wusste auch, dass sein Hass auf Leon nur ein Spiegel seiner eigenen Selbstvorwürfe war. Leon war ihm ähnlich, er kam aus einer zerrütteten Familie, genau wie Stig.

Übermäßiger Alkohol- und Zigarettenkonsum hatten in Stigs Kindheit und Jugend einen wichtigen Stellenwert gehabt. Außerdem hatten ständiger Streit und manchmal sogar Gewaltausbrüche, Seitensprünge in der Partnerschaft, mangelnde Ordnung in der Wohnung und sonstiges Chaos zum gewöhnlichen Alltag in seinem Elternhaus gehört.

Manche bösen Menschen würden vielleicht für solche Familienverhältnisse die Bezeichnung

„Unterschicht“ verwenden. Ein ironisches Lächeln glitt über Stigs Gesicht, denn im Gegensatz zu Leon stammte er aus sehr wohlhabenden Verhältnissen.

Stig blickte durch das Fenster in den klaren Sternenhimmel und seine Gedanken wanderten zurück zu Elli. Auch ihre Vergangenheit hatte starke Züge einer zerrütteten Kindheit. Er drehte sich um und blickte liebevoll zum Bett, in dem Elli friedlich schlief. Sie war seine große Liebe, seine Stärke und gleichzeitig seine größte Schwäche. Der Gedanke, sie zu verlieren, ließ ihn fast verzweifeln. Er wusste, wie wichtig ihr der Kampf gegen MedüX Pharma war. Es war nicht nur ein Kampf für Gerechtigkeit, sondern auch ein Weg, ihre eigenen Dämonen zu besiegen.

Doch Stig konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen. Jede Drohung, jeder Hinweis auf Gefahr ließ seine Verlustängste ins Unermessliche steigen.

Stig seufzte tief und rieb sich die Augen. Er musste einen Weg finden, um stark für Elli zu sein, ohne sie in

ihrer Freiheit einzuschränken. Er musste lernen, seine eigenen Ängste zu kontrollieren und nicht auf sie zu projizieren. Doch das war leichter gesagt als getan.

Die Schatten seiner Vergangenheit waren allgegenwärtig.

Langsam und möglichst leise, um sie nicht aufzuwecken, ging er vom Fenster durch das Zimmer zu Elli. Er setzte sich vorsichtig auf die Bettkante und beobachtete Elli im Schlaf. Ihr Gesicht wirkte friedlich, frei von den Sorgen des Tages. Stig spürte einen Stich in seinem Herzen. Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Stirn.

„Ich werde dich beschützen, Elli“, flüsterte er leise.

„Egal, was passiert. Ich werde immer für dich da sein.“

Mit diesen Worten legte er sich neben sie und zog sie sanft in seine Arme. Die Wärme ihres Körpers beruhigte ihn ein wenig. Er wusste, dass der Weg vor ihnen schwierig sein würde, aber er war

entschlossen, an ihrer Seite zu bleiben, egal was die Zukunft brachte.

In dieser Nacht schwor er sich, seine eigenen Dämonen zu bekämpfen, um für Elli stark zu sein. Er würde lernen, seine Ängste zu überwinden, und einen Weg finden, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen.

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