Illustration von Elli, einer schlanken 35-jährigen Frau mit kurzen, unordentlichen schwarzen Haaren und tiefgrünen Augen, die in einer kleinen Teeküche im Rabbit Hole vor einem Spiegel steht. Der Spiegel zeigt ein leicht verzerrtes, surreal anmutendes Spiegelbild. Die Teeküche ist in die schalldichte, von Akustikplatten umhüllte Atmosphäre des Technikraums integriert, beleuchtet von sanftem, stimmungsvollem Licht. Auf den Regalen befinden sich ein Wasserkocher, eine Tasse und weitere Utensilien, während Monitore und Kabel den Raum umrahmen. Elli wirkt nachdenklich und angespannt, als sie ihr Spiegelbild betrachtet.

Kapitel 19 – Szene #57

Szene 57 – Entschlossene Stille – Reflexionen vor dem Sprung ins Unbekannte

Am Tag nach der Teamsitzung saß Elli wieder tief in Gedanken versunken im Rabbit Hole, dem pulsierenden Herz ihrer bevorstehenden geheimen Operation. Die Stille des Raums umhüllte sie wie eine Decke, während das sanfte Leuchten der Monitore und das leise Summen der Technik ihre Gedanken begleiteten.

Auf einem kleinen Tisch in der Ecke, abseits der technischen Gerätschaften, lag die feine, rotgoldene Kette mit dem Amulett und dem kleinen Schmuckanhänger aus Ammolit, den sie am Hölderlinturm gefunden hatte. Elli nahm die Kette in ihre Hände. Die feinen Muster des Ammolits schimmerten im Licht, als würden sie mit ihr sprechen.

Die Farben verschmolzen ineinander – Rot, Grün, Gold – und veränderten sich mit jeder Bewegung. Es war, als würde der Stein selbst ein Geheimnis bewahren, das nur darauf wartete, von ihr entschlüsselt zu werden. Elli spürte eine seltsame Resonanz, eine leise Vibration, die in ihren Fingerspitzen begann und sich bis in ihr Innerstes ausbreitete.

Sie wunderte sich kaum noch darüber, dass das Amulett immer wieder seine Gestalt veränderte – von der Version mit den fremden Schriftzeichen, die Timmek ihr geschenkt hatte, hin zu der mit den christlichen Buchstaben, die sie von Stig erhalten hatte.

Ihre Finger glitten sanft über die eingravierten Worte:

„Du bist mutiger, als du glaubst, stärker, als du scheinst, und du bist niemals allein.“

Diese Worte gaben ihr Kraft, eine unsichtbare Stütze, die sie auf ihrem Weg begleitete. In diesem Moment spürte sie ein vertrautes Pulsieren, das vom Amulett ausging – eine leise, beständige Energie, die sie zugleich ermutigte und an die Größe ihrer bevorstehenden Aufgabe erinnerte.

Elli blickte auf und ließ ihre Gedanken zu den Ereignissen der vergangenen Wochen schweifen. Sie erinnerte sich an die Worte des Hohelieds der Liebe, die sie in Deutsch und mittlerweile auch im griechischen Originaltext auswendig kannte. Eine Zeile schoss ihr in den Sinn:

„Die Liebe hört niemals auf.“

Diese Worte hatten sich tief in ihr Herz eingebrannt. Sie fühlte sich mit einer Wahrheit verbunden, die jenseits ihres Verstandes lag und dennoch so klar war wie ihr eigener Herzschlag. Diese Wahrheit erinnerte sie daran, dass sie nicht allein war – nicht auf diesem Weg und nicht in dem, was vor ihr lag. Die Liebe war ihre Konstante, ihr Anker inmitten des Unbekannten.

Es war, als hätte sie endlich den Schlüssel gefunden, um das Tor zu einer Welt zu öffnen, die sie lange nur erahnt hatte.

Ihre Gedanken kehrten zurück zu ihrem Team, das bereit war, die geplante Cyberattacke zu starten. Jeder Einzelne von ihnen war entscheidend für den Erfolg der Mission. Doch Elli wusste, dass der wahre Kampf weit über die digitale Welt hinausging. Die Artefakte, die sie auf ihrem Weg gefunden hatte, waren mehr als nur Gegenstände. Sie fühlten sich an wie Pforten zu einer anderen Ebene der Realität, zu einer Welt, die ihre kühnsten Träume überstieg.

Elli stand auf und trat zum Spiegel über dem kleinen Waschbecken in der Teeküche. Ihr Blick verweilte auf ihrem eigenen Spiegelbild. Sie sah eine Frau, die mutiger und entschlossener war, als sie je geglaubt hatte. Doch während sie sich selbst ansah, huschte ein Schauer über ihren Rücken.

Sie dachte an das Erlebnis vom Vortag und fragte sich, ob die Leere hinter dem Spiegel ein Vorbote dessen war, was sie jenseits der Spiegelpforte erwarten würde. War es nur ein Gedankenschatten, oder begann die Welt vor ihren Augen zu verrutschen?

Ihr Herzschlag beschleunigte sich bei der Erinnerung, und sie zwang sich, tief durchzuatmen.

Das war nur ein Gedankenschatten gewesen. Nur ein Gedankenschatten … oder?

Ihr wurde leicht schwindelig, und sie befürchtete, wieder diesen unwirklichen Schimmer auf der Spiegeloberfläche zu sehen. Einen Moment lang schloss sie lieber die Augen und versuchte, das weitere Nachdenken beiseitezuschieben, während ihre Finger unbewusst das Amulett an ihrem Hals umfassten. Es pulsierte wie ein sanfter Herzschlag und rief sie in die Gegenwart zurück.

Elli richtete ihren Blick wieder auf den Spiegel und konzentrierte sich auf den augenblicklichen Moment. Dieses Mal war da keine Leere, keine bedrohliche Stille – nur ihr Spiegelbild, das ihr entgegenblickte, als würde es sie ermutigen.

Das leise Pulsieren des Amuletts erinnerte sie daran, dass sie einen Pfad beschritt, der keine Umkehr zuließ. Was auch immer gestern geschehen war, es war Teil ihrer Reise, Teil des Übergangs in eine neue Realität.

Elli wusste, dass sie bereit war. Bereit, das Unbekannte zu umarmen; bereit, die Rolle, welche die Prophezeiung ihr zugedacht hatte, anzunehmen.

Der nächste Schritt lag klar vor ihr: Sie würde versuchen, die Spiegelpforte zu öffnen – ein Schritt, der sie in eine Welt führen konnte, die jenseits ihres bisherigen Vorstellungsvermögens lag.

Elli blickte auf die Kette in ihrer Hand. Der Ammolit schimmerte wie ein kleines, lebendiges Licht. Mit einem tiefen Atemzug spürte sie, wie die Last der Unsicherheit längst von ihren Schultern gefallen war. Sie hatte alle Zweifel hinter sich gelassen und war bereit, den Weg der Prophezeiung zu gehen – wohin auch immer er sie führen würde.

Als sie sich vom Spiegel abwandte, pulsierte das Amulett wie ein Herzschlag in ihrer Brust. Es war, als würde es ihre Entschlossenheit bekräftigen: ‚Es ist Zeit!‘, flüsterte eine leise Stimme in ihrem Inneren. Mit festem Griff um den Anhänger wusste Elli, dass sie bereit war. Jetzt bin ich tatsächlich bereit.

„Es ist Zeit!“, sprach sie erneut in die Stille des Raumes und bekräftigte ein weiteres Mal ihren unausweichlich bevorstehenden Aufbruch.

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