Das mit KI generierte Bild zeigt Elli in ihrem Homeoffice. Im frühen Morgenlicht strömt Sonnenlicht durch teilweise geschlossene Vorhänge. Elli, eine mittelgroße, schlanke Frau mit kurzem, zerzaustem dunklem Haar, sitzt an ihrem Schreibtisch und lächelt während eines Videoanrufs auf ihrem Computerbildschirm. Auf dem Bildschirm ist eine Frau in traditioneller indischer Kleidung und Schmuck zu sehen. Auf dem Schreibtisch befinden sich eine Tasse, eine Lampe, ein Telefon und einige Stifte in einem Becher. Im Hintergrund sind Bücherregale und dekorative Gegenstände zu erkennen.

Kapitel 6 – Szene #16

Szene 16. Wächterin im virtuellen Raum

Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die halb geschlossenen Vorhänge von Ellis Arbeitszimmer, als der sanfte Klingelton ihres Computers erklang. Es war Zeit für ihre tägliche Team-Sitzung mit Lio und Adisa. Elli hatte gerade ihre Tasse Kaffee vor sich, den Duft einatmend, während sie die Einladung zum Videochat annahm.

Das virtuelle Hintergrundbild zeigte ein lachendes Gesicht, das aus einer Datenwolke entstand – ein kleiner Spaß, den sie sich erlaubt hatte. Obwohl mit Mitte dreißig nun die reiferen Jahre am fernen Horizont in ihr Blickfeld rückten, wollte sie nicht vergessen, sich trotz aller drängenden Probleme gelegentlich eine gewisse kindliche Leichtigkeit zu bewahren.

Der sanfte Signalton für das Einloggen anderer Teilnehmer in die Videositzung erklang. Zuerst erschien Adisas Gesicht auf dem Bildschirm, gefolgt von Lio. Adisas traditioneller indischer Kopfschmuck glitzerte im Licht ihrer Berliner Wohnung. Lio saß in einem düster beleuchteten Raum, das hellorange gefärbte Haar wirkte im Kontrast dazu sehr intensiv.

„Guten Morgen, Team“, grüßte Elli lächelnd.

„Morgen“, erwiderte Adisa fröhlich.

Lio nickte aufmerksam; er war noch etwas außer Atem von einem anstrengenden Morgenlauf und hatte seine Ärmel über den farbenfrohen Tattoos hochgeschoben.

Elli bemerkte die scheinbar müden Augen von Lio. „Lange Nacht, Lio?“, fragte sie schmunzelnd.

„Oh, du weißt ja, ich habe versucht, diesen alten Videospiel-Level zu beenden, den ich seit meiner Kindheit nicht geschafft habe“, antwortete Lio mit einem verschmitzten Grinsen, die sarkastische Ironie in seiner Stimme kaum verbergend.

Adisa lachte, ihre Augen funkelten dabei verspielt. „Du und deine alten Videospiele! Aber erzähl, hast du es diesmal geschafft?“

Lio rollte die Augen und lehnte sich zurück, dabei kamen seine bunten Tattoos, die sich über seine Arme schlängelten, noch mehr zur Geltung. „Ein andermal vielleicht. Heute Morgen war dann erst mal ein Lauf angesagt. Muss ja meinen Kopf wieder für die wichtigen Dinge frei bekommen.“

„Und womit beschäftigst du dich sonst noch, Lio?“, fragte Elli, wohl wissend, dass hinter Lios launiger Fassade oft tiefe Gedanken und Reflexionen steckten.

Lio zuckte mit den Schultern und versuchte nonchalant zu wirken, während er kurz in seine Tasse schaute, bevor er antwortete. „Ich lese oft in Online-Foren, diskutiere über Comics, tausche mich über die neuesten Technik-Trends aus. Manchmal fühle ich mich da ein bisschen wie der alte Mann, der versucht, mit den Kids Schritt zu halten. Es erdet mich irgendwie.“

Elli konnte nicht umhin zu schmunzeln. „Jeder hat so seine kleinen Fluchten.“ Sie wusste, dass sowohl Lio als auch Adisa ihre eigenen Herausforderungen hatten. Das machte sie als Team aber nur stärker.

Als sie später über die Aufgaben sprachen, konnte Elli Adisas Mitgefühl und ihre tiefe Verbundenheit mit den Projekten spüren. „Lass uns starten. Adisa, du hattest die Anfrage von Green-Spirit-for-life?“

Adisa nickte. „Ja, sie möchten, dass wir ihre gesamte Systeminfrastruktur überprüfen. Sie planen eine große weltweite Kampagne und wollen sicherstellen, dass alles reibungslos läuft. Ich kenne einige Leute dort. Sie tun großartige Arbeit im Umweltschutzbereich. Es wird uns gut tun, sie zu unterstützen.“

Lio fügte hinzu: „Ich habe kürzlich einen Bericht über ihre neuesten Initiativen gelesen. Sie brauchen wirklich unsere Expertise.“

Elli nickte. „Das klingt nach einem umfangreichen Projekt. Lio, wie sieht es bei dir aus?“

„Bei mir gibt es auch etwas Größeres: Ärzte heilen die Welt aus Berlin hat sich gemeldet. Sie hatten einen Hackerangriff auf einen ihrer Server und benötigen dringend Unterstützung. Sie machen sich Sorgen um die Patientendaten.“

„Das klingt ernst“, bemerkte Adisa.

„Wir sollten das priorisieren. Diese Organisation ist essenziell, gerade in Zeiten wie diesen“, stimmte Lio zu.

Die drei teilten die Aufgaben untereinander auf. Sie waren ein eingespieltes Team, jeder wusste genau, was er zu tun hatte. Doch schon während der Besprechung blinkte Ellis Nachrichtensymbol unaufhörlich. Sie versuchte, es zu ignorieren, aber ihre Neugierde siegte. Es waren Anfragen von Einzelpersonen, die dringend Hilfe benötigten. Eine Mutter, deren Fotos ihres Kindes gestohlen worden waren. Ein Teenager, der nicht wusste, wie er auf einen Cybermobbing-Angriff reagieren sollte.

Lio bemerkte ihr Zögern. „Elli? Ist alles in Ordnung?“

Sie biss sich auf die Lippe, teilte aber nicht mit, was sie gerade gelesen hatte. „Alles in Ordnung. Wir sollten weitermachen.“

Die nachfolgende Diskussion über die Bedrohungen und die zu ergreifenden Maßnahmen war intensiv, aber jeder respektierte die Meinung des anderen. Es war die Kombination aus Professionalität, gegenseitigem Respekt und einer Prise Humor, die ihre Zusammenarbeit so besonders machte.

Nach der Teamsitzung fühlte Elli sich hin- und hergerissen. Einerseits gab es die großen Aufträge, die sie erfüllen musste. Andererseits schrien die Hilferufe der Einzelpersonen sie förmlich an. Sie atmete tief durch, nahm sich einen Augenblick Zeit und schrieb wenigstens eine erste Antwort an die besorgte Mutter.

Der Abend brach herein, und während die meisten Menschen ihre Arbeit beendeten, setzte sich Elli nach dem Abendbrot mit Stig noch einmal an den PC. Ihre Hilfsbereitschaft kannte manchmal keine Grenzen, insbesondere wenn es darum ging, Menschen in Not zu helfen. Auch wenn sie schon den ganzen Tag gearbeitet hatte, half sie abends sehr häufig Hilfesuchenden, die sich Cyber-Bedrohungen ausgesetzt sahen und keine andere Anlaufstelle hatten.

Es war spät am Abend, als Elli endlich ihren Computer herunterfuhr. Müde, aber zufrieden, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Sie wusste, dass sie vor ihrem gesundheitlichen Hintergrund eigentlich besonders vorsichtig sein sollte und auf sich achten musste. Doch sie verdrängte das aufkeimende schlechte Gewissen.

Bei dieser Arbeit schien trotzdem ein Positiveffekt für sie zu entstehen und das intensive Fokussieren ihrer Gedanken auf eine dermaßen sinnvolle Aufgabe, hielt auch ihre Gedankenschatten sehr gut im Zaum. Sie musste zugeben, sie hatte zwar nicht immer die beste Work-Life-Balance und hatte sich eigentlich vorgenommen, sich deutlich mehr Pausen zu gönnen, aber die Dankbarkeit und Erleichterung der Menschen, denen sie half, war es ihr Wert, ein gewisses Risiko einzugehen.

Auch ihre reguläre Arbeit hatte in dieser Hinsicht etwas Besonderes, denn auch dort sorgte sie für den Schutz von Organisationen, die zu einer besseren Welt beitrugen. Und es war eine faszinierende und komplexe Tätigkeit, die viel Kreativität erforderte, denn in der Cyberwelt lauerten, genau wie im echten Leben, immer Überraschungen. Dies alles machte ihren Job so spannend und herausfordernd.

Elli lächelte und nickte überzeugt, als ob sie damit diese Perspektive auf ihre Situation innerlich bekräftigen wollte.

Als Elli schließlich den PC heruntergefahren hatte und ganz leise zum Schlafzimmer schlich, um Stig nicht zu wecken, stand jedenfalls fest, dass sie mehreren, sehr verzweifelten Menschen geholfen hatte. Ihre Augen waren müde, ihr Körper erschöpft, aber ihr Herz fühlte sich erfüllt an.

Elli trat in den Flur, die Stille des Hauses umfing sie. Vor der Kellertür hatte sie plötzlich wieder dieses Gefühl, als ob sich ein Schatten über den Raum legen würde. Es war nur ein Moment, aber plötzlich spürte sie ein leichtes Frösteln, als hätte die Luft sich verändert. Sie rieb sich die Arme und runzelte die Stirn. ‚Unsinn‘, dachte sie, ‚es ist nur ein Keller.‘ Trotzdem drehte sie den Schlüssel in der Kellertür mehrmals herum, bis das Schloss leise einrastete.

Warum machte sie das überhaupt? Es war doch schon immer ein sicherer Ort gewesen. Aber manchmal fühlte sich das irgendwie anders an, als wäre dort unten etwas, das nicht ans Licht dringen sollte.

Sie schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Jetzt war die Tür ja fest verriegelt.

Elli schlich beruhigt ins Schlafzimmer und schlüpfte zu Stig ins Bett. Er wachte ein wenig auf, legte seine Arme um sie und zog sie sanft zu sich herüber. „Eulchen, das hat ja ewig gedauert. … Ich will jetzt nicht schimpfen, aber denk doch mal an Deine Gesundheit und an Deinen Kater, der hier wartet.“, murmelte er im Halbschlaf.

Elli kuschelte sich eng an ihn und sie war froh, dass diesmal kein heftiger Konflikt aus der Situation entstand. „Ich weiß, da waren aber ein paar Leute richtig in Not. Lass uns schlafen, mein lieber Kater, ich bin froh, endlich hier zu sein.“ sagte sie. „Schlaf gut!“ fügte sie hinzu und drehte sich zur Seite. „Schlaf gut!“ antwortete er mit einer gewissen Resignation in der Stimme und kurz darauf hörte sie sein leises Schnarchen. Jetzt war sie bereit, sich erschöpft, aber zufrieden in das Reich der Träume sinken zu lassen.

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